Mehr Glyphosat, mehr Pestizide!

EU-Kommission will 10 Jahre Verlängerung 

Kaum ein Pestizid hat solch einen Siegeszug am Weltmarkt hingelegt wie Glyphosat. Das meistverkaufte Pflanzengift ist nachweislich extrem gefährlich für Pflanze, Tier und Mensch und sollte schon oft begrenzt und sogar ganz gestoppt werden. Jetzt läuft es weiter…Für den Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund ist das kein Zufall, eher bewusste Taktik

Imker sind auf giftfreie Landschaften angewiesen. Glyphosat zerstört u.a. Gedächtnis und Orientierungsvermögen von Bienen. Foto: Janine Fritsch
Imker sind auf giftfreie Landschaften angewiesen. Glyphosat zerstört u.a. Gedächtnis und Orientierungsvermögen von Bienen. Foto: Janine Fritsch

Ende 2023 sollte in Deutschland Schluss sein: „Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt“ war das Versprechen von SPD, Grüne und FDP in der Koalitionsvereinbarung. Das hat Cem Özdemir jetzt gebrochen. Mit seiner Erklärung, dass eine Stimm-Enthaltung wie ein „Nein“ zu werten sei, versucht er noch sein Gesicht zu wahren. Doch es bleibt bei Abstimmungen dabei: Ja bedeutet Ja, Nein heißt Nein und eine Enthaltung kann sich eben nun mal nicht entscheiden. Aus Schwäche, Unwissenheit oder aus ganz anderen Gründen …? Wenn es keine eindeutige Mehrheit bei der Abstimmung der Länder gibt, darf die EU-Kommission im Alleingang entscheiden.  So kam es und sie hat die Zulassung verlängert – und das gleich um ganze 10 Jahre!

Tod von Wildkräutern, Demenz bei Bienen, Krebs beim Menschen

Dass Politik und Agrochemie im Schulterschluss stehen, ist nicht bewiesen, drängt sich aber mit dieser Entscheidung wieder einmal unmissverständlich auf. Denn das Hin und Her der Diskussion, ob das Totalherbizid nun gefährlich sei oder nicht, läuft mittlerweile schon seit Jahrzehnten gleich ab. Das Mittel ist seit 1974 auf dem Markt und in knapp 80 Prozent aller Unkrautvernichtungsmittel enthalten. Allein in Deutschland wurden 2021 rund 12,8 Tausend Tonnen Pflanzenschutzmittel mit dem Stoff eingesetzt, in Spanien, Italien und Frankreich sogar das Doppelte bis Fünffache. In der EU sind es jährlich rund 35.000 Tonnen Wirkstoff. Auf bis zu 40 Prozent der deutschen Äcker mit Weizen, Mais, Raps wird es verspritzt. Ein Riesengeschäft v.a. für den Hersteller Bayer-Monsanto.

Deshalb hat Monsanto auch selbst Studien in Auftrag gegeben und sogar eigene Leute daran mitarbeiten lassen, wie die ARD in MONITOR schon 2019 berichtet. Sie geben natürlich Entwarnung: Alles nicht so schlimm. Doch sogar die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellte 2015 fest, dass ausreichend Belege für eine Krebsgefahr vorliegen. Und: Warum hat Bayer-Monsanto in den USA etliche Klagen verloren gegen Menschen, die nach langfristiger Exposition an Lymphgewebe-Krebs erkrankten?

Die Menge an Untersuchungen ist riesig, die schädliche Auswirkungen in alle Richtungen nachweisen: Als Breitbandherbizid tötet es alle Pflanzen, dezimiert die Artenvielfalt und entzieht nicht nur Insekten und Vögeln ihre Nahrungsgrundlage. Es schädigt viele Tierarten direkt und indirekt, u.a. über seine hormonelle Wirkung auf die Fruchtbarkeit. Schmetterlinge, Spinnen, Florfliegen, Vögel und Frösche werden dezimiert. Bei Bienen wirkt es toxisch auf das Nervensystem, sie werden orientierungslos.

Beängstigend ist auch die flächendeckende Verbreitung von Glyphosat: Rückstände finden sich in Boden, Wasser und Lebensmitteln, wie Brot, Bier und auch Honig. Eine Studie im Jahr 2015 zeigte, dass fast jeder Deutsche Glyphosat im Harn hat. Weil es mit Stuhl und Urin ausgeschieden wird, landet es wieder auf Äckern, Böden und in Gewässern. Ein Teufelskreis.

Zulassungen in Salamitaktik

Trotz unzähliger Studien und die deutlich verschärfte Diskussion mindestens seit 2015, wurde die Zulassung des Pestizids in der EU immer wieder häppchenweise verlängert: 2015 um ein Jahr, 2016 um 1,5 Jahre, 2017 befristet wieder für fünf Jahre, 2022 wieder um ein Jahr. Jetzt geht das Spiel von vorne los. Immer wenn die Zulassung ausläuft, gibt es Diskussionen um die Studien oder so viele Enthaltungen, dass „keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen eine Neuzulassung zustande kommt“. Trotz Warnung selbst von der WHO, sieht die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – wie schon 2015 – auch heute keinen „Anlass zur Sorge“ für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt. Und das meldet sie genau rechtzeitig im Juli 2023 vor der Entscheidung der EU-Kommission und vor dem geplanten Zulassungsende. Es wirkt so, als würden ab und zu ein paar Warnungen zur Beruhigung der Gemüter von offiziellen Stellen losgelassen, weil man ja zuverlässig weiß, dass es immer weitergeht…

Mehr Gentechnik, mehr Pestizide

Glyphosat wurde insbesondere für die Kombi mit gentechnisch hebizidresistent gemachten Pflanzen entwickelt, denen das Pflanzengift nichts ausmacht. Anders als ursprünglich argumentiert, hat sich der Pestizideinsatz dadurch aber nicht verringert, sondern sogar massiv erhöht. Seit seiner Einführung 1974 um das 265fache! Schlimmer noch: Viele Wildpflanzen werden auch noch zunehmend unempfindlich gegen das Herbizid wie das Kanadische Berufkraut. Mit den Resistenzen steigen Anwendung und Abhängigkeit noch mehr. Ist die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung jetzt vielleicht ein Hintertürchen, um noch mehr Argumente auch für den Bedarf an noch mehr gentechnisch manipulierten Pflanzen zu bekommen?

Gesetz zur Pestizidreduktion auch gescheitert

Genau eine Woche nach der Glyphosat-Verlängerung am 22.11.23 kippen dann auch noch die Abgeordneten des Europaparlaments einen Gesetzesvorschlag, der die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln in der EU bis 2030 um die Hälfte vorgesehen hätte. Ein Zufall ist das sicher nicht. Europäische und deutsche Bauernverbände begrüßen die Entscheidung. Für Bienenhalter ist es ein schwarzer Tag.

Klagen laufen bereits an

Das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Europe und vier seiner Mitglieder haben angekündigt, gegen die Glyphosat-Verlängerung zu klagen. Die gemeinnützige Umweltorganisation Aurelia Stiftung hat bereits eine Klage beim EU-Gericht in Luxemburg eingereicht.

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Quellen (Auswahl)

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22.11.2023 / 6.000 Zeichen

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Pressekontakt: Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund e. V. (DBIB), presse(at)berufsimker.de, Janine Fritsch

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