Landwirte fürchten zu Recht um ihre Existenz. Ursache sind aber nicht die Umweltauflagen.

Wo sehen wir als Berufsimker denn heute die Hauptursachen der Probleme in der Landwirtschaft?

Das Hauptproblem liegt darin, dass unsere Landwirte seit Jahrzehnten unter einem extremen ökonomischen Druck stehen. Unter der Überschrift „Wachse oder weiche“ findet der sogenannte „Strukturwandel“ statt. Man könnte diesen Prozess aber auch „intensiviere oder weiche“ nennen. Für die Bienen bedeutet dies ein reduziertes Trachtangebot, Mähverluste und beständig Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt zu sein. Hummeln und Solitärbienen fehlen zudem die Nistmöglichkeiten und die verbleibenden Biotope sind nicht vernetzt. Mit dieser Analyse stehen wir nicht allein. Vom bayerischen Jagdverband kann man ähnliche Aussagen über die Situation beim Niederwild hören.

Quellen (v. l. n. r.) :
PLOS ONE More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas
– Vortrag “ GRÖßER, SCHNELLER BREITER – WOHIN GEHT DER TREND BEI LANDMASCHINEN?“, Dr. Johann Habermeyer Kuratorium Bayerischer Maschinen- und Betriebshilfsringe e.V
Agrarbericht Bayern 2016
Landesjagdverband Niedersachsen – Artenvielfalt in der Kulturlandschaft 08.02.2011

Sehen die Berufsimker die Landwirte als eine Art Feindbild?

Nein, ganz im Gegenteil. Der Landwirt ist in diesem System ebenso eine bedrohte Spezies. Wenn man die Kurven über den Niedergang der Insektenbiomasse, der Vögel oder der Niederwildstrecken und der Zahl der
landwirtschaftlichen Betriebe z.B. in Bayern übereinander legt, sind diese nahezu deckungsgleich. Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft prognostizierte bereits 2017 eine weitere Halbierung der Betriebe bis 2030 auf etwa 50 000. Wir müssen gemeinsam Wege finden, unsere bäuerliche Landwirtschaft und die Biodiversität in der Kulturlandschaft zu erhalten. Wir wollen dabei keine einseitige Optimierung der Landwirtschaft für die Honigbiene. Vielmehr haben wir in beispielhaften Projekten immer andere Verbände ins Boot geholt und uns vor allem darum gekümmert, neue Wege zur Wirtschaftlichkeit der Betriebe zu finden. Nachhaltige Landnutzung lässt sich nur mit Betrieben umsetzen, die auch ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell haben. Die bisher agrarpolitisch gesetzten Rahmenbedingungen können kaum als wirtschaftlich nachhaltig bezeichnet werden, wenn alle 12 bis 15 Jahre die Hälfte der Betriebe aufgeben muss.

Hat die Politik bereits die Weichen für eine Verbesserung der Lage von Landwirten und Umwelt gestellt?

Leider nicht und im derzeitigen politischen Umfeld in Brüssel ist eher mit einer deutlichen Verschlechterung zu rechnen. Die Agrarindustrie hat die Politik fest im Griff. Das gilt sowohl für die Neuausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik ab 2020 als auch durch Freihandelsabkommen wie Mercosur.

Die Agrarpolitik wird nicht für die Landwirte gemacht, sondern wird maßgeblich beeinflusst von Konzernen, die an den Landwirten verdienen.

 

Unsere Bauern werden in diesem System noch weiter unter Druck geraten und damit noch weniger Spielraum für einen rücksichtsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen haben.

Durch das Volksbegehren in Bayern und weitere, die diesem Beispiel folgen, ist die Politik gezwungen, zumindest den Anschein zu erwecken, man sei an einer bienenfreundlichen Landwirtschaft interessiert. Noch wichtiger als eine hohe Beteiligung an diesen Initiativen ist, dass es eine große Bereitschaft gibt, eine wirklich nachhaltige Landwirtschaft auch beim Einkauf zu unterstützen. Hier genügt es nicht, über die „Geiz ist geil“ Mentalität der Verbraucher zu schimpfen. Es muss auch transparente und glaubwürdige Angebote geben, für die sich der Verbraucher entscheiden kann.

Als Vorbild mussten wir bisher auf „politikfreie Lösungen“ Lösungen setzen, die ohne Systemwechsel umsetzbar sind. So haben wir eine Reihe von Projekten für eine bienenfreundliche Landwirtschaft gemeinsam mit Landwirten und anderen Partnern erarbeitet. Dabei bilden wir als Imker ein wichtiges Bindeglied zum Verbraucher.

Insbesondere ist unsere Zusammenarbeit mit konventionellen Milchbauern unter der Marke „Sternenfair“ ein gutes Beispiel, dass es tatsächlich möglich ist, Bienen und Bauern zu retten.

„Seit 10 Jahren arbeiten wir erfolgreich gemeinsam mit den Berufsimkern und anderen Verbänden zusammen, um unsere Produktionsweise sowohl bienenfreundlich als auch wirtschaftlich für unsere Betriebe zu gestalten. Im gleichen Zeitraum hat fast ein Drittel der Milchviehbetriebe in Bayern aufgeben müssen. Unsere langjährige Zusammenarbeit zeigt, dass es möglich ist, Bienen und Bauern zu retten, wenn man bereit ist, neue Wege zu gehen.“, sagte in einer gemeinsamen Presseerklärung mit dem DBIB und dem Bund Naturschutz Jakob Niedermaier, Geschäftsführer der sternenfair Milchvermarktungs GmbH.

Neu ist der Bienenstrom. In Zusammenarbeit mit den Elektrizitätswerken Nürtingen und Landwirten auf der Schwäbischen Alb ermöglichen wir es Stromkunden, durch Anbieterwechsel auf der Seite bienenstrom.de jeweils eine Fläche zum Blühen zu bringen, die in der Regel größer ist als der eigene Garten.

Update: Traktorenaufmärsche – grüne Kreuze – Mahnfeuer – Bauernproteste – warum und wofür? – Ein sehr lesenswerter Beitrag von Stefan Kreppold, Biolandwirt aus Wilpersberg bei Aichach.

 

4 thoughts on “Landwirte fürchten zu Recht um ihre Existenz. Ursache sind aber nicht die Umweltauflagen.

  1. Solange „das Geld näher am Körper zu liegen kommt ,als das Hemd“,wird sich nichts ändern.Wir müssen vom Konsumtrottel-Dasein wegkommen und das ungebremste Wachstum verlassen.Meiner Meinung ist es zu spät,da gravierende Eingriffe äußerst schmerzhaft sind für alle Beteiligten.

  2. Das Hauptproblem liegt aktuell darin, daß niemand wirklich bereit ist, zuzugeben, wenn er über 60 Jahre lang belogen wurde, wenn er sich über 60 Jahre lang hat belügen lassen und die Lügen geglaubt hat. Und dabei spielt es keine Rolle, daß die Lügner fest der Überzeugung waren, daß ihre Lügen Wahrheiten sind und es auch weiter und bis heute so behaupten.
    Und ich weiß, daß ganz viele Bauern damals gespürt und gefühlt haben, daß es falsch läuft, daß es nicht richtig sein kann, mit immer mehr industriell gefertigten Hilfsmitteln (Dünger und in der Folge immer mehr Gift zur „Ertragssicherung“ wie das genannt wurde) in das Leben hineinzuwirken – daß es nicht richtig sein kann, immer mehr Tiere auf immer weniger Platz mit immer mehr importiertem Futter zu versorgen und zu mästen – und immer mehr Gülle auf immer weniger Fläche auszubringen, die außerdem schon mit mineralisiertem Stickstoff versorgt war – es wächst doch sonst nicht – … – manchmal haben sie es noch irgendwie ausdrücken können, dieses im Innern grummelnde Gefühl – damals!
    Vor ungefähr 40 Jahren wurde in Deutschland (Witzenhausen, Uni Kassel) der weltweit erste Lehrstuhl für „Alternative Landbaumethoden“ (so wurde das damals genannt) eingerichtet. Heute steht der gesamte Fachbereich für „Ökologische Agrarwirtschaft“.
    Wir wussten alles schon vor 40 Jahren, vielleicht nicht in jedem Detail und Neonicotinoide wurden damals noch nicht systematisch eingesetzt, aber es war alles schon klar.
    In den Vorlesungen wurden genau diese Inhalte damals schon thematisiert. Und – natürlich – wurden sie von allen anderen Uni-Agrarstandorten als unwissenschaftlich diffamiert. Das zu tun ist bis heute modern.
    Und die Bauern haben lieber geglaubt und sind gestorben als so zu handeln, wie ihr inneres Gefühl es ihnen zeigen wollte – und ganz sicher, wir wären hier in D nicht verhungert, wenn sie weiter diesem Gefühl gefolgt wären! Und – die Bauern einer „bäuerlichen Landwirtschaft“ stünden nicht auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Berufsstände.
    Warum haben wir nicht vor 40 Jahren schon „Fridays for Future“ inszeniert?
    Unsere Kinder und unsere Enkel wären sehr berechtigt, uns zu verfluchen dafür, daß wir „den Planeten verheizt“ haben (damit es unsere Kinder mal „besser“ haben als wir) und dafür, daß Luft, Wasser und Boden vergiftet und degradiert sind, dafür, daß die fruchtbarsten Standorte in D und anderswo vor den Toren der Zentren mit Industrie- und Gewerbegebieten zugepflastert wurden, wie gerade hier, wo ich jetzt wohne, auch wieder.
    Und wir werden die Klagen und Flüche im Jenseits hören, weil wir die Konsequenzen unseres Handelns im Diesseits gar nicht mehr ausbaden müssen.
    Wenn die Bauern nur ein wenig einsehen und zugeben würden, daß sie sich haben belügen lassen („Beratungsgeschädigt“ – wir glauben gar zu gerne, was uns die Obrigkeit vorsetzt – und ohne viel Vertrauen geht Landwirtschaft gar nicht – Imkerei auch nicht) – könnten wir ein Stück weiterkommen und die, die gestern in Berlin waren würden sich eher der Demo am 18. Januar 2020 anschließen, als der, die vom Agrar-Industrie-Bauernverband durchgeführt wird: https://wir-haben-es-satt.de/ (wobei ich mir hier schon länger einen anderen zukunftsweisenderen Titel wünsche!)

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