Studie zeigt, warum jetzt die Pollenversorgung wichtig ist
von Dipl.-Biol. Janine Fritsch
Vergessen und vernachlässigt: Der Fettkörper der Bienen ist das Organ, das Imker aufpäppeln und pflegen müssen. Dennoch denken die meisten nach der Honigernte nur ans Auffüttern mit Zucker und nicht an Pollen und Protein. Untersuchungen aus Ungarn zeigen, warum das ein Fehler sein kann
Schwacher Fettkörper, schwache Bienen
Der Fettkörper der Honigbienen ist das A und O. Er ist ihr zentrales Multifunktionsorgan, ohne das eine Biene schwach und wenig widerstandsfähig ist, die Brutmenge schwindet und Flugbienen früher sterben. Was auch bei Imkern kaum bekannt ist: Bienen können nicht nur wenige Monate, sondern bis zu 300 Tage leben, wenn ihr Fettkörper optimal entwickelt ist. Dafür brauchen sie aber gerade vor dem Winter nicht nur Zucker, sondern vor allem sehr viel Eiweiß. Denn: Gerät das Protein-Zucker-Verhältnis in der Ernährung aus dem Gleichgewicht, so wie es bei der Winterauffütterung mit Zucker passieren kann, wird der Fettköper sogar aktiv abgebaut, um den Proteinhaushalt auszugleichen. Hohe Bienenverluste über den Winter und Zusammenbruch der Völker im Frühjahr sind häufig die Folge von derart unterernährten Bienen.
Wenig Fettkörper, wenig Honig
Obwohl die physiologische Rolle des Fettkörpers bei Insekten lange bekannt ist, haben viele Imker ihn kaum im Blick. Der Fettkörper speichert nicht nur Energie als Fett und Zucker, sondern entgiftet ähnlich wie unsere Leber, u.a. Pestizide, bildet Hormone und Abwehrstoffe für das Immunsystem und stellt Baustoffe für den Futtersaft, das Gelee Royal, bereit. Und mit diesem wird nicht nur die Brut gefüttert, sondern auch die Flugbienen. Das heißt aber, dass auch nach dem Winter und im Frühjahr wenn die Brut- und Honigsaison wieder losgeht, die Eiweißversorgung gewährleistet sein muss. Denn nur gesunde und starke Flugbienen können gute Honigerträge liefern.
„Die Bienen müssen sich selbst helfen können“
„Wir müssen unsere Bienen in die Lage versetzen, aus eigener Kraft mit Krankheiten, Parasiten, Schlechtwetterperioden und Hungerzeiten zurecht zu kommen“, sagt Bernhard Heuvel, Vizepräsident des Deutschen Berufs und Erwerbs Imker Bunds. „Wir Imker können das für die Bienen technisch gar nicht lösen. Aber wir können sie dabei unterstützen.“ Für ihn ist die eigene Widerstands- und Regenerationsfähigkeit der Bienen schon lange ein zentrales Thema in der Imkerei und genau das spricht er in seinen Vorträgen immer wieder an.
Armer Zucker, reicher Pollen
Miklos Sörfozo Imker, Agraringenieur und Ökologe aus Ungarn hat die Bedeutung der Pollenversorgung ebenfalls früh erkannt. „Die Honigbienen verlieren immer mehr ihren Lebensraum. Nicht nur durch zu viel menschengemachte Ordnung und Bebauung in der Landschaft, sondern auch durch wechselhafte Wetterlagen, zu viel Kälte und Regen, wenn es eigentlich überall blüht. „In Ungarn haben wir oft zu kleine Bienen, die dann auch häufiger gesundheitliche Problem haben“, beklagt er. Zucker zufüttern reicht aber nicht, weil der keine Vitalstoffe enthält. „Bei den meisten herkömmlichen Eiweißfutterteigen hatte ich aber auch nicht den Aufbaueffekt, den natürlicher, eiweißreicher Pollen zeigt.“ Denn anders als Zucker enthält Pollen auch Vitamine, Mineralien und sogar antibiotisch wirksame Stoffe. Und gerade für den Muskel- und Gewebeaufbau benötigt der Bienenkörper Eiweißbausteine und nicht Zucker.
Studie zeigt Polleneffekt: signifikant stärkere Bienen
Miklos Sörforzo wollte deshalb selbst ein Futter entwickeln, das den Pollen möglichst genau nachahmt. Dafür hat er unterschiedliche Pollensorten analysiert und immer wieder verschiedene Zusammensetzungen aus Eiweiß, Aminosäuren und Vitaminen ausprobiert. „Das wichtigste war, den Pollenersatz an den Bienen zu testen, um zu sehen, ob und welcher Effekt tatsächlich messbar wird.“ Dazu wurden verschiedene Völker über einen bestimmten Zeitraum jeweils mit den unterschiedlichen Mischungen gefüttert und der natürliche Polleneintrag gleichzeitig unterbunden. Danach wurde das Gewicht von Rumpf und Kopf gemessen, um die Entwicklung von Fettkörper und Futtersaftdrüsen zu kontrollieren. Beide vergrößerten sich. Der deutlichste Wert war jedoch die Lebensdauer einzelner Arbeitsbienen, die sich im Vergleich zur Zuckerfütterung signifikant verlängerte und dem bei guter Pollenversorgung gleichkam.
Essen oder Einlagern: Zuckeranteil ist entscheidend
Da die Bienen mit dem Pollenersatz ihre eigene Proteinversorgung sofort sichern sollen, muss man bei Futtermischungen auch darauf achten, dass sie nicht als Reserve eingelagert werden. Besonders eindrucksvoll zeigten hier die Ergebnisse eines Farbtests, wohin der verfütterte Pollenersatz im Bienenstock gelangt. Denn neben der erwartbaren Anfärbung in Honigmagen und Darm wurde das Futter auch in den Honigwaben gefunden. „Das passierte, wenn der Zuckeranteil zu hoch war.“ erklärt der Ungar. Dann erkennen die Bienen es wohl nicht als „Pollen“. Ein guter Wert zeigte sich bei 15 Prozent Eiweißanteil im Teig, offenbar weil er dem von natürlichem Pollen recht nahkommt. Der enthält neben Fetten, Kohlenhydraten und anderen Substanzen im Durchschnitt ebenfalls 5-25 Prozent Protein.
Natürliche Pollenversorgung verbessern, Trachtlücken schließen
Für beide – den Ungarn Sörfozo und Berufsimker Heuvel ist klar, wann eine zusätzliche Eiweißfütterung sinnvoll ist: Im zeitigen Frühjahr, wenn es noch kalt ist, die Bienen aber schon starten wollen. Und im Juni und Juli, je nachdem wann die typischen Trachtlücken regional auftreten. Bernhard Heuvel erklärt es eindrücklich: Fette Bienen hören im September auf zu brüten. Dann beginnt ihre Winterpause bis Mitte Januar. Sie haben genug Futter, sind auf die kalte Zeit vorbereitet und beginnen zu ruhen. Zu dünne Bienen brüten jetzt noch bis zu zwei Monaten weiter. So lange braucht es, bis ihr Fettkörper aufgebaut ist. Seine Strategie: Jetzt ganz langsam Zucker füttern, Zeit lassen um auch noch Pollen einzutragen und notfalls Pollenersatz zugeben.
Aber ein Pollenersatz ist eben auch nur ein Ersatz. Die natürliche durchgängige Pollenversorgung ist das, was wir gemeinschaftlich anstreben und wieder aufbauen sollten. Mit mehr Mischblühflächen, die Trachtlücken überbrücken, blühenden Zwischenfruchtfeldern und insektenfreundlicher Begrünung von Bracheflächen kann eine vielseitige Eiweißversorgung für die Bienen wiederhergestellt werden. Damit Futterteige nur eine Notlösung bleiben.
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28.08.2023 / 7.000 Zeichen
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Autor: Janine Fritsch, janine.fritsch(at)berufsimker.de, 0172 8246210
Im Auftrag/Herausgeber: Deutscher Berufs und Erwerbs Imker Bund e.V. (DBIB), presse(at)berufsimker.de
Quellen:
- Miklos Sörfozo: https://mybeefeed.com/english/
- Bernhard Heuvel: youtu.be/nyEt8rx23wI?si=km5ODgWSRR_1VQlZ