Honigpanscherei

Wer echten Honig will, braucht deutsche Imker

Autor: Janine Fritsch

Gepanscht, gestreckt, verdünnt: Honigfälschungen fluten derzeit regelrecht Europa. Laut dem letzten EU-Kontrollbericht war jedes zweite Glas der untersuchten Honige zum Teil massiv gestreckt. Dreimal mehr als noch im Jahr 2017. Für viele Verbraucher heißt das: Sie kaufen wieder beim Imker vor Ort. Aber das ist nur ein Grund, warum wir unsere Berufsimker mehr fördern müssen.

Nicht nur Verkaufen zählt: Ein attraktiver Stand und ein großes Sortiment sind zwar die Basis, aber das Vertrauen in die Qualität ist die stärkste Kundenbindung. Foto: Schlossimkerei Tonndorf


Die Meldung von der massiven Zunahme mit Zuckersirup gestreckter Honige machte im März die Runde. 46 Prozent der 320 untersuchten Honigproben entsprachen laut dem letzten EU-Kontrollbericht nicht der europäischen Honigrichtlinie. Das heißt: Jedes zweite Glas Honig war gestreckt. Dreimal mehr als noch 2017. Vor allem Honig aus China und der Türkei fiel negativ auf und sämtliche Proben aus Großbritannien. Für uns Verbraucher ist das wohl ein Grund mehr, noch besser hinzuschauen, was auf dem Glas steht. Denn oft ist der Honig zwar in Deutschland oder Europa abgefüllt, aber eben nicht dort produziert. Auch gesellschaftlich und politisch ist das viel mehr von Bedeutung als es zunächst erscheint. Denn der Wert von regionaler Produktion, von Herstellern, denen wir vertrauen können, wird uns mit solchen Skandalen einmal mehr vor Augen geführt.

Sichere Lebensmittel: Lokal produziert und ums Eck verkauft

Wer derzeit also sicher sein will, echte, unverfälschte Lebensmittel zu bekommen, der kauft besser regional. Und dieser Ansicht scheinen viele Deutsche zu sein. Laut Statista gaben im Herbst 2022 über 74 Prozent der Befragten an, dass sie Produkte aus der Region bevorzugen, um hiesige Erzeuger zu unterstützen. Aber hier beißt sich ­ zumindest beim Honig – die Katze in den Schwanz: Denn in Deutschland wird mit einem Kilo pro Kopf und Jahr mehr Honig gegessen als hergestellt. Dreiviertel des Bedarfs muss importiert werden.

Warum wir den Beruf mit den Bienen besser fördern sollten

Doch wer produziert bei uns eigentlich die großen Honigmengen für den Handel? Deutschland ist ein Land der Freizeitimker. Über 90 Prozent der Imker betreiben die Bienenhaltung als Hobby. Zwar ist ihre Zahl in den letzten Jahren – im Zuge des Bienen-Hypes – auf über 150.000 deutlich angestiegen, trotzdem ist die Menge der betreuten Bienenvölker mit einer Million in etwa gleich geblieben. Nur rund vier Prozent der Imker machen das haupt- oder nebenberuflich. Dabei halten sie über die Hälfte der Bienenvölker. Aber die Zahl der großen Erwerbsimker schwindet. Das Geschäft mit dem Honig scheint schwierig.

Wer traut sich noch ins Honiggeschäft?

Während die meisten Hobbyimker ihren Überschuss in der Familie verschenken und an der Haustüre oder an Freunde und Kollegen verkaufen, muss der Berufsimker davon leben, seine Familie ernähren und je nach Betriebsgröße auch Mitarbeiter bezahlen. So wie Ursula Lensing. Die studierte Biologin betreibt mit ihrem Partner die Bioland-Imkerei „Honiglandschaften“ im bayrischen Landkreis Aichach-Friedberg bei Augsburg. Sie beschäftigen eine Vollzeit- und eine Minijobkraft. „Das hätten wir uns vor sieben Jahren auch nicht träumen lassen.“ Mit Mitte 40 sind beide damals aus ihren Karrierejobs in der Pharmabranche ausgestiegen. „Wir wollten wieder mehr in die Natur. Mit unserem Bio-Studium kommen wir ja aus der ökologischen Richtung, das haben wir vermisst.“ Was mit 12 Völkern auch hier als Hobby begann, wuchs sich sehr schnell zum Haupterwerb aus – ohne offizielle Imkerausbildung, als reine Autodidakten. „2018 stiegen wir dann mit 50 Völkern beruflich um und haben jetzt bei 200 Wirtschaftsvölkern erst einmal gestoppt.“ Mehr schaffen sie derzeit nicht.

Ganz anders lief das bei Max Weber. Zwar ist auch er Biologe, hat zur Biodiversität geforscht, wollte auch wieder raus in die Natur und „mit den Händen arbeiten“, doch er stieg vor drei Jahren in ein seit Jahren laufendes Unternehmen ein. „Ich wollte direkt von Praktikern lernen.“ In der Schlossimkerei Tonndorf im idyllischen Thüringen ist er der jüngste von jetzt vier Gesellschaftern, hat hier gelernt und die Gesellenausbildung zum Imker abgeschlossen „Ich wollte wieder das Gefühl haben, etwas gleistet zu haben, etwas, das ich auch sehen und in Händen halten kann. Hier kann ich beides verwirklichen.“ In der Schlossimkerei kann er nämlich auch das methodische Arbeiten aus der Uni einbringen. Denn sie ist auch Zucht- und Ausbildungsbetrieb. Die vier Honigmacher aus Tonndorf wollen ihre Bienen möglichst nah an der Natur halten, wesensgemäß, mit wenig Behandlungsmitteln auskommen und mit der eigenen Kraft der Biene arbeiten. Deshalb züchten sie ihre Bienen mit einer aufwändigen Auswahlmethode selbst, und sind in einem großen Netzwerk organisiert, wo sie ihre Königinnen auch verkaufen. Mit ihren 140 Völkern sind sie ebenfalls biolandzertifiziert.

Weites Wandern für Sortenhonig

Das klingt alles sehr eigenständig und irgendwie idyllisch – ist aber bei aller Liebe zur Natur auch durch sie vollkommen bestimmt. Denn wenn die Blüte losgeht, und die Bienen in Schwarmstimmung kommen, herrscht Hochbetrieb in der Imkerei – dann sagt die Natur, was gemacht wird. Für anderes bleibt nicht viel Zeit. In Tonndorf wird mit den Bienen gewandert, um größere Mengen an besonderen Sortenhonige zu bekommen. Das bedeutet, nachts, wenn es dunkel ist, 50 oder 60 große und schwere Bienenstöcke aufladen, in den frühen Morgenstunden in entfernte Trachtgebiete fahren, abladen aufstellen und regelmäßig kontrollieren. Ist die Blüte vorbei, das Ganze wieder zurück. Wanderimkerei ist harte Arbeit und braucht eine große Ausstattung, die auch etwas kostet.

Wegen Corona jetzt auch Honigautomaten

Einfach nur Honig ernten und verkaufen, das reicht heute in der deutschen Imkerei nicht mehr. In Tonndorf ist man deshalb immer wieder kreativ geworden. Neben seltenen Honigsorten wie Himbeere oder Phacelia, bieten selbstgebrauten Met an und produzieren Kosmetik aus Propolis und Wachs. „Die Arbeit ist sehr vielseitig und wir müssen flexibel auf unvorhersehbares reagieren können.“ Max Weber spricht die Corona-Zeit an. „Uns sind zwei Weihnachtsmärkte komplett weggebrochen, das ist unser Hauptgeschäft und wir verkaufen ausschließlich direkt.“ In der Not haben sie zwei auffällig gestaltete Honigautomaten angeschafft. „Die ganze Sache steht und fällt mit dem Standort, da haben wir am Anfang in Erfurt ganz schön Lehrgeld gezahlt. Mittlerweile lohnen sich die zwei Automaten bei Jena definitiv.“

Ackerbohnen-Bio-Honig und Affinger Cuvée 

Ganz anders in Bayern. Imkerin Lensing wandert nicht. Dafür stehen ihre Bienen an vielen Stellen im Landkreis verteilt. Immer nur 10 bis 12 Völker an einem Platz. So gewinnt sie unterschiedliche und für den Standort ganz typische Sorten. Vor zwei Jahren wurde ihr Ackerbohnen-Bio-Honig zu Bayerns bestem Bioprodukt in Silber prämiert. „Wir sind wirklich der Imker vor Ort“ betont Lensing. „Unser Honig ist genau hier von den Bienen gesammelt, von uns geschleudert und abgefüllt. Das ist unser Verkaufsargument.“ Die Imkerei hat sich für das Marketing auch etwas einfallen lassen, das es bei Honig so bisher nicht gibt. „Wir haben uns das Terroir-Konzept vom Wein abgeschaut. Bei Honig ist das ja genauso. Je nach Jahr und Wetter entstehen andere Geschmacksnuancen. Jeder Jahrgang ist anders.“ Daraus entstand der Affinger-Cuvée – eine Mischung aus Frühlings- und Sommerernte nur aus der Landschaft um Affing. 

Kennzeichnungspflicht für mehr Verbraucherschutz?

Der Jahrgangshonig kommt in der Region gut an. „Es wäre schön, wenn wir wie beim Wein auch eine Kennzeichnungspflicht für die Herkunft hätten. Im Moment muss nur draufstehen, wo der Imker sitzt, egal wo seine Bienen tatsächlich gesammelt haben oder ob der Honig sogar zugekauft ist.“ Eine solche konkrete Herkunftsbezeicnung wäre für den Verbraucher so etwas wie eine Garantie, wenn er wirklich aus der Region kaufen möchte. Und wie man am Panscherei-Skandal sieht, scheint uns der Blick aufs Etikett wohl im Moment doch nicht viel zu helfen. 

Imker und Bauern: getrennt und doch zusammen

Und das Label Bioland? Der Dschungel von Siegeln ist für Verbraucher mittlerweile undurchsichtig geworden und viele Menschen geben nicht mehr viel darauf. „Doch.“, sagt Max Weber. „Für uns ist das ein gutes Verkaufsargument, weil es immer noch hohes Vertrauen beim Verbraucher genießt. Wir sind über das Label auch gut vernetzt, v. a. mit Landwirten.“ Auch in Augsburg klappt die Zusammenarbeit mit den Biobauern sehr gut. Regelmäßige Treffen und Absprachen helfen der Imkerin, sie bekommt dadurch auch gute Stellplätze für die Bienen. „Außerdem braucht uns die Landwirtschaft.“, so Lensing. Die Biologin ist seit diesem Jahr Landesgeschäftsführerin beim Deutschen Berufsimkerbund in Bayern und bei Bioland stellvertretende Gruppensprecherin für die Imker. Sie sieht beide Seiten: „Die Bestäubungsleistung der Biene ist immens und wird allein in Deutschland volkswirtschaftlich mit 3,8 Milliarden Euro beziffert. Ein vollständiger Ausfall würde drei Milliarden Verlust beim Bruttoinlandsprodukt bedeuten.“ 

„Wir fordern bessere Förderung“

Trotz all dem werden Berufsimker für diese Wirtschaftsleistung so gut wie nicht unterstützt. „Wir bekommen keine Grundstützung wie Landwirte, sind nicht steuerbefreit wie Hobbyimker und erhalten noch nicht mal eine Kompensation bei Ernteausfällen.“, beklagt die Imkerin. „Wir sichern mit unseren Bienen die Ernte von hochwertigem Obst und Gemüse. Damit zählen wir zwar zur Landwirtschaft, werden aber nicht so behandelt. Das muss sich ändern.“

Den Aufbau ihrer Imkerei haben sie komplett mit einem sechsstelligen Betrag selbst finanziert. Das sich das nicht jeder leisten kann, ist klar. „Sehr viele fangen im Nebenerwerb an, kaufen die Ausstattung nach und nach und erweitern langsam. Einige kommen auch aus einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb, da sind Flächen, Räume und Fahrzeuge vorhanden“, erklärt der Tonndorfer Max Weber. Es gibt auch junge Imker, die nach der Ausbildung zum Gesellen erst einmal ins Ausland gehen und sich ihr Startkapital dort verdienen. Eigentlich ein Armutszeugnis für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Hier braucht es den politischen Willen, die Leistung und die Bedeutung den Beruf als Imker anzuerkennen und als Säule unserer Lebensmittelversorgung gleichwertig zu den Landwirten zu sehen.

Beide Imker wünschen sich eine gerechtere Verteilung der Agrarsubventionen und eine Stärkung kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe. Damit wäre auch für die Biodiversität etwas getan. Denn kleinflächige landwirtschaftliche Strukturen mit Hecken, blühenden Säumen und zusammenhängenden, vernetzten Biotopen sind das, was Bienen brauchen – und zwar Honig- und Wildbienen. „Wir müssen solche Konzepte diskutieren und zügig umsetzen“, sind sich Biodiversitätskenner Weber und Ökologin Lensing einig. Wir brauchen keine Feindbilder und Scheindiskussionen, sondern vernünftiges Vorgehen mit gesundem Menschenverstand. Das nützt allen: den Bienen, der Natur, der Landwirtschaft und letztlich uns Verbrauchern – für hochwertige und unverfälschte Produkte aus der Region zum leistbaren, fairen Preis.

15.5.2023 /11.000 Zeichen

Die Reportage kann kostenfrei verwendet werden. Text und Bilder unterliegen dem Urheberschutz.

Kontakt
Janine Fritsch, info(at)redaktion-aufdenpunkt.de, M 0172 8246210
i.A. Deutscher Berufs und Erwerbs Imker Bund e.V. (DBIB)

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Wandern in die Robinie: Um Sortenhonig zu bekommen, packen alle Tonndorfer Schlossimker mit an. Foto: Schlossimkerei Tonndorf




Auch das ist Imkerei: Heute müssen Imker ihr Produktpalette erweitern. Anstelle vom Brummen der Honigschleuder, brodelt es hier im Gärkessel. Honigessig ist bei der Imkerei Honiglandschaften ab diesem Jahr neu im Sortiment. Foto: Janine Fritsch



Qualitätsprüfung wie im Labor: Ob die Gärung zum Essig richtig abläuft, wird nicht dem Zufall überlassen. Dafür ist der Honig zu wertvoll. Foto: Janine Fritsch



Königinnenzucht als weiteres Standbein. Die Damen werden verkauft. Foto: Schlossimkerei Tonndorf


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